Historie

Ein kurzer Blick zurück (zeitliche Einordnung)

Wieder einmal ist einer der wenigen Erinnerungsorte, die wir in unseren Stadtteilen haben, von Vernichtung bedroht. So soll nach „Haus Crange“ und „Krummer Hund“ nun das Hallenbad in Wanne- Süd zugunsten einer Wohnbebauung abgerissen werden. 

Generationen lernten hier Schwimmen und Tauchen, waren im Schwimmverein „Hellas“ aktiv, nahmen an Westdeutschen Meisterschaften teil. Unter Federführung der Stadtwerke Wanne – Eickel und der Bauunternehmung Hinsken wurde das Schwimmbad 1952 geplant. Die Einweihung erfolgte am 13. März 1954Eingebunden in das Neubaugebiet des von Bombenangriffen schwer zerstörten Ortsteils, sollte die Sportanlage, erbaut auf einem Trümmergrundstück, ein „Markstein unseres Gemeinwesens“ sein. Liberal, überparteilich und zweckmäßig stellte die neue Architektur sich dar. Zeitnah entstand u.a. die „Freiherr vom Stein“ Volksschule mit Turnhalle, die Städt. Berufsschule, ausgerichtet mit neuester Technik. Die Wohnhäuser wurden in 2 1/2 bzw. 3 1/2geschossiger Bauweise errichtet, u.a. an der Kurhausstraße, der Kampstraße, der Lehrlings- und Meisterstraße. Kurze Wege zur nahe gelegenen Hundewiese als Naherholungsort waren bereits vorhanden und folgten einer Grundidee aus den 20er Jahren. Einen sog. „Grüner Ring“ planten die Verantwortlichen durch das Wanne – EickelerStadtgebiet. Angefangen mit dem Waldfriedhof an der Stadtgrenze zu Herten, sollte eine „grüne Lunge “ bis nach Bochum entstehen. Eingebettet in ein weiteres „Ensemble“ von St. Josefs-Hospital an der Landgrafenstraße und dem Sol – und Thermalbad an der Straße Am Solbad sollte sich ein Schwimmbad einfügen. Zeitgleich wurde auf dem Gelände eines Bauernhofes das Stadion geplant und 1955 eröffnet, ein Stadion mit 13.500 Plätzen.


Minigolfanlage und Tennisplätze folgten später. Die Pläne zum Bau eines Freibades dort konnten nicht umgesetzt werden, da der Boden aufgrund seiner geologischen Beschaffenheit nicht geeignet war. Dieses Freibad wurde dann 1966 im Ortsteil Wanne gebaut, heute steht hier das Wananas. 1969 konnte eine weitere überregional ausgerichtete Sportstätte in Wanne-Süd eröffnet werden: die Sporthalle im Sportpark, ausgerüstet für unterschiedlichste Wettkämpfe: alle Hallen – Ballsportarten, Kegeln, Fechten, Judo, Schießen, u.a.m. Erstaunlich aus heutiger Sicht, wie sich zu Beginn der 50er Jahre parteiübergreifend Rat und Verwaltung auf den zügigen Wiederaufbau/Neubau von Wohngebäuden, Schulen und Sportstättenmit überregionaler Bedeutung einigten und dies konsequent durchführten.

Der damalige Oberbürgermeister Edmund Weber, Kulturdezernent Friedrich Steffen (beide SPD) sowie der Oberstadtdirektor Dr. Wilhelm Elbers (CDU) sorgten für die rasche Umsetzung und die nötigen finanziellen Mittel. Auch bei damals schon knappen Geldern lag die Priorität auf dem Wohnungsbau (viele Flüchtlinge in Wanne) und Bildung für die zahlreichen Kinder und Jugendlichen. So entstand am Rande des Sportparks das Jugendheim „Heisterkamp“, geführt als Haus der offenen Tür. In dieser Zeit erhielt die Laurentiusschule im Stadtteil Unser Fritz eine Turnhalle und das erste Lehrschwimmbecken der Stadt. Der Aufbau der Städtischen Berufsschule in Wanne – Süd wird in mehreren Bauabschnitten erstellt, der Plan für eine koedukative Realschule wird umgesetzt, zunächst als Provisorium, 1958 aber mit Fertigstellung des Neubaus in Wanne ausgeführt. 

Friedrich Steffen, anfänglich Leiter des Kulturamtes, später Stadtkämmerer, begann sehr früh mit dem Aufbau der Volkshochschule in Wanne -Eickel. 1947 nahm sie an unterschiedlichen Orten den Betrieb auf, in den 60er Jahren wurde das „Haus am grünen Ring“ eröffnet. Auch die Stadtbibliothek, provisorisch untergebracht an wechselnden Standorten, erhielt zeitnah ein architektonisch ansprechendes Haus am heutigen Postpark. In den Stadtteilen wurden die Kinder-und Jugendbüchereien errichtet und mit hauptamtlichen Bibliothekaren besetzt. Alle diese öffentlichen Einrichtungen sorgten landesweit für Aufsehen. Die am dichtesten besiedelte Stadt Europas wurde zu einem „Vorzeigeort“ im Kohlenpott, eine Erfolgsgeschichte des Wiederaufbaus.

Vorangetrieben wurde so auch der Bau des Hallenbades. Zunächst wurde im ersten Bauabschnitt das Becken erstellt. Das heute sichtbare Gebäude mit Sanitäranlagen etc. wurde im zweiten Bauabschnitt errichtet. Ausgeschachtet in 1953, verbaute man u.a. 60.000 Ziegelsteine und 5.700 Sack Zement, der Kostenaufwand lag bei 1 015 000 Mill. DM. Ein Ort sportlicher Betätigung, für jung und alt, Frau und Mann, Schwimmer und Nichtschwimmer, unabhängig von Ideologie, Mitgliedschaften und Geldbeutel. Geprägt von der Zeit des Nationalsozialismus und dem Missbrauch des sportlichen Gedankens durch die Nazis wollte man sich neu orientieren. Die bauliche Realisation oblag der Bauunternehmung Hinsken, Stadtbaurat i.R. Neuhaus, der bei den Nazis „degradiert “ worden war und dem Leiter der Stadtwerke. Direktor Walter Wiemer hatte eine ähnliche Erfahrung machen müssen. Beide Männer suchten nach unbelasteten Motiven für die künstlerische Ausgestaltung des Schwimmbades. Die demokratischen Spuren in der Antike, die neu aufkommende olympische Begeisterung der 50er Jahre, die Sehnsucht der Wanne –Eickeler nach Italien und Griechenland, fand auch hier ihren Ausdruck in der Wahl der Motive und der Technik für die Wandgestaltung. 

In Form zweier Putzmosaike mit einem Thema aus der griechischen Mythologie, die den damaligen Stadtvätern als neutral und „unverdächtig“ erschien, wollte man Zeichen setzen für die Zukunft: Der für uns heute sperrige und unverständliche Titel: „Der Hochzeitszug des Poseidon“. So sind auf der rechten und linken Bildposition zu sehen: Poseidon, ein griechischer Meeresgott, schickt einen Boten, den Delphin, zu Amphitrite, Beherrscherin der Meere. Die Planer förderten so auch die „Kunst am Bau“. Der Wanne-Eickeler Kunstmaler Edmund Schuitz wurde mit der Aufgabe betraut. Der Künstler hatte als junger Mann 1933 Deutschland verlassen, seine Ausbildung in Rom fortgesetzt und die nun geforderte Technik in Italien erlernt. Schuitz wollte abstrakter arbeiten, konnte jedoch Stadtbaurat Neuhaus, Direktor der Stadtwerke Walter Wiemer und Oberbürgermeister Edmund Weber nicht überzeugen: Kein „Bürgerschreck“ und nicht zu „modern “ war die Devise. Das glasklare Grün des Wassers sollte mit einer farblich dezenten Belebung an der Wand korrespondieren. Lichtdurchflutet die ganze Halle, konnten die eingesetzten Materialien und Farben eine wohltuende Atmosphäre schaffen. 

Über zwei bequem hineinführende Treppen konnten “ Wasserscheue“ sich eingewöhnen, um das Nichtschwimmerbecken zu erreichen. Am Rand hielt man sich fest, zur weiteren Orientierung diente die rot-weiße Kunststoffkette. Drei Sprungbretter lockten in die Tiefe. So wurde nicht nur die Schwimmhalle sorgfältig geplant, auch der Eingangsbereich erhielt besondere Akzente: Großflächige Glastüren eröffneten den Blick in das Gebäude. Eine kleine Vorhalle mit Bänken sorgte für einen geschützten Wartebereich. Im Kassenraum befand sich rechts und links in der Wand ein Aquarium. Bunte Fische tummelten sich dort im Wasser und stimmten die Besucher ein. Von hier erreichte man auch die Abteilung der Brause- und Wannenbäder, nach Geschlechtern getrennt. Über eine geschwungene Treppe ging es hinauf in den Schwimmbereich. Eine Milchbar sorgte für die notwendige Stärkung. Gleichzeitig konnte man durch ein großes Fenster den Badebetrieb beobachten. So zogen alsbald die Besucher unter der gestrengen Aufsicht der Bademeisterin Fräulein Hertha Endrikat ihre Bahnen, hatten ihren Spaß und lernten Schwimmen.

Dieser Klassiker unter den Schwimmbädern in unserer Region sollte möglichst schnell saniert und der Öffentlichkeit wieder zur Verfügung gestellt werden. Als „Haus der Wasserfreude“ 1954 eröffnet, könnte es wieder ein „Markstein unseres Gemeinwesens“ werden. Neue Chancen für den Stadtteil Wanne-Süd bieten sich an. Als Schwimmzentrum nicht nur für Schulen und Vereine, sondern auch für vielfältige gesellschaftliche Teilhabe zu kleinen Eintrittspreisen. Mit Angeboten, die über den Stadtrand hinaus mit zeitgemäßen jungen Ideen überzeugen: Klettern über Wasser, Romantikschwimmen bei Kerzenschein, Licht- und Musikinstallation der Kreativen Szene …….

Ingeborg Müller-Schuitz